Warum haben Vampire kein Spiegelbild?

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oliverberger
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Hej!

Ich habe ein wenig recherchiert und ehrlich gesagt nur miese Quellen (IMHO) gefunden, die so gut wie keine Information enthielten.

Über Knoblauch, Kruzifixe, fließendes Wasser oder die Einladung in ein Heim ist einiges zu finden. Über das gespiegelte Antlitz jedoch nicht. Einzig ein Hinweis, dass es mit der verlorenen Seele zu tun habe ... aber auch seelenlose Dinge haben ein Spiegelbild.

:?: Warum haben Vampire also kein Spiegelbild? Was glaubt ihr?
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soro_serenity
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Sind bestimmt unreflektiert :lol:
Wer den Schnee umarmt wird die Kälte akzeptieren - Turbostaat (2022)
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Umut
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Hey hey,
ich denke ein Spiegel zeigt den ist-zustand der Dinge. Ein Vampir ist durch den Fluch zwar in seinem Soll-Zustand aber sein Ist-Zustand wäre eigentlich Staub und Asche bzw nicht existent. Das würde auch erklären warum die Sonne sie "verbrennt". tut es nähmlich gar nicht sondern es löst den Fluch an der Stelle wie das Licht auftrifft und vaporisiert somit den Vampir. :ugeek: :lol:
Über den Tellerrand schauen? Was bist du denn bereit zu sehen?
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oliverberger
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soro_serenity hat geschrieben: 05 Mär 2023, 12:25 Sind bestimmt unreflektiert :lol:
LOL
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oliverberger
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Umut hat geschrieben: 05 Mär 2023, 23:15 Hey hey,
ich denke ein Spiegel zeigt den ist-zustand der Dinge. Ein Vampir ist durch den Fluch zwar in seinem Soll-Zustand aber sein Ist-Zustand wäre eigentlich Staub und Asche bzw nicht existent. Das würde auch erklären warum die Sonne sie "verbrennt". tut es nähmlich gar nicht sondern es löst den Fluch an der Stelle wie das Licht auftrifft und vaporisiert somit den Vampir. :ugeek: :lol:
Interessanter Gedanke - passt zu den "Kreaturen der Schatten". Es ist also ein Vampirfluch Deiner Ansicht nach? Ich vermute, ein Vampir würde das anders sehen. Als Gabe, Geschenk etc..
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Umut
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Des einen Gabe ist des anderen Fluch. :D
Ich liebe es zu sehr am Strand in der Sonne zu liegen :P
Über den Tellerrand schauen? Was bist du denn bereit zu sehen?
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Frank
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In verschiedenen Erzähltraditionen wird oft auf die "Spiegelbildlosigkeit" von Vampiren verwiesen. "Naturwissenschaftlich" fundierte Erkläransätze sind hier meist wenig hilfreich, wie sich am Beispiel der Lasombra aus der "World of Darkness" zeigt. Nur die Mitglieder des Clans der Schatten besitzen kein Spiegelbild. Innerhalb des Universums erklärt sich das damit, dass diese Fraktion Licht obsorbieren kann. Dann würden sie aber auch für menschliche Augen unsichtbar sein.

Viel interessanter wird es, wenn wir uns dem Problem von einer psychoanalytischen und literatur- bzw. kulturwissenschftlichen Seite nähern. Man kann zunächst die symbolische Bedeutung des Spiegels erkunden und ausgehend davon, die Abwesenheit des Spiegelbildes als Ausdruck einer existentiellen Verlusterfahrung einerseits und andererseits einer symolhaften Unvollständigkeit lesen: Spiegel sind "Maschinen" einer imaginären Verdopplung. Wobei die Betonung auf dem Imaginären liegt, denn das Bild des Spiegels bleibt im Virtuellen. Es eröffnet Möglichkeitsräume und Vorstellungswelten, schafft aber keine Realität. (Das wurde ganz passend im ersten Harry-Potter-Band dargestellt.) Bezieht man dies nun auf den Vampir, so könnte man sagen, dass diese Kreatur von ihrem eigenen Möglichkeitshorizont abgetrennt wurde, und daher in einem Zustand purer Imaginationslosigkeit existiert. Vampire sind also auf die reine Körperlichkeit zurückgeworfen. Ohne den Geist, ohne die Seele, ohne die Identität (in Form einer "Selbst-Ähnlichkeit") sind sie verlorene Geschöpfe, ausgeschlossen von der Erlösung.

Die Abwesenheit des Spiegelbildes beim Vampir mag darauf hinweisen, dass diese Kreatur nicht mehr in der Lage ist, sich selbst als Subjekt wahrzunehmen, was Auslöser und zugleich Ergebnis einer existentiellen Verlusterfahrung ist und einhergeht mit einer symbolhaften Unvollständigkeit. Um mit Jacques Lacan zu sprechen, der den Menschen als grundsätzlich unvollständig und immer nach Vollständigkeit suchend ansieht, könnte man argumentieren, dass die Figur des Vampirs die real gewordene Niederlage und das Ende eben dieses Strebens nach Vollständigkeit und Einheit mit sich selbst ist. Der Vampir ist demnach ein Mensch, der die conditio humana aufgegeben hat, der nicht mehr hofft und liebt und strebt.

Dies würde sich auch mit Blick auf die Theorien von Jacques Lacan zum Spiegel in seinem Essay "Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, wie sie uns in der psychoanalytischen Erfahrung erscheint" (1948) beschreiben lassen. In diesem Text erforscht Lacan, auf welche Weise ein Kind durch die Interaktion mit seinem Spiegelbild im Spiegelstadium ("stade du miroir") ein Bewusstsein von sich selbst als eigenständiges Individuum entwickelt. Dies bleibt jedoch eine Illusion, die auf einer imaginären Identifikation mit dem Spiegelbild beruht, und zu einem lebenslangen Konflikt zwischen dem Selbstbildnis und der Realität führt. (Vorsicht, das ist eine kriminell verkürzte Beschreibung von Lacans Konzept.)

In Bezug auf die symbolische Unvollständigkeit des Vampirs könnte man sagen, dass der Vampir aufgrund seines fehlenden Spiegelbildes keine Möglichkeit hat, sich auf symbolischer Ebene zu konstituieren, oder eine eigene Identität zu entwickeln. Dies würde seine Existenz in einem Zustand der Unvollständigkeit und des Mangels halten, was, wie bereits dargelegt, zu einer existentiellen Verlusterfahrung führt.

In der literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschung zu Vampir-Darstellungen in verschiedenen medialen Umgangsformen wird der Mangel an Spiegelbildern oft als eine Metapher für die Trennung der Vampire von ihrer Menschlichkeit und der Schwierigkeit, ein holistisches Selbstbild zu entwickeln, interpretiert.

Hier mal zwei entsprechende Paper:

https://www.academia.edu/19624739/Looki ... _the_Thing

https://www.academia.edu/45558952/Lacan ... f_Vampires

Ich persönlich würde mit Rückgriff auf Lacan den Status des Selbst eines Vampirs als fragmentiert und verloren lesen, weshalb das Spiegelbild verschwunden ist. Der Vampir ist eine Kreatur im Dazwischen: Nicht tot, nicht lebendig; nicht menschlich, nicht tierisch. Verflucht zur unausgesetzten Existenz, ausgeschlossen aus der symbolischen Ordnung der Menschen, aber doch abhängig von deren Blut. Bestraft und gezeichnet, aber eben auch "aus"gezeichnet.
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