Bild einer Person, die holografisches Interface bedient

Warum Science Fiction gesellschaftlich relevant ist

Meine persönliche Motivation in Textform, warum ich Science Fiction als gesellschaftlich relevant erachte und mir deshalb mehr Aufmerksamkeit für das Thema wünsche.

Ende 2020/Anfang 2021 steckten wir unsere Köpfe das erste Mal zusammen. Ich erzählte von der Idee eines Fantasy & Science Fiction Dachverbands und weshalb mir das wichtig ist.
Dies war immer damit verbunden, auch Überzeugungsarbeit zu leisten. Bis heute hat sich daran nur unwesentlich etwas geändert.

Stellen wir uns nun ein Gespräch zwischen beliebigen Personen im Jahr 2017 vor … hätte eine dieser Personen ihre Bedenken geäußert, sie fürchte eine globale Pandemie, ausgelöst durch einen mutierenden Virus – wie hättet ihr reagiert?

Oder sie hätte Sorge vor einem Angriffskrieg in Europa, bei dem neben schrecklichem Leid für die Menschen auch atomare Anlagen wie Kernkraftwerke Ziel der Kampfhandlungen und die weltpolitischen und -wirtschaftlichen Folgen nicht absehbar wären … was wäre da eure Antwort gewesen?

Ich denke, dass so einige Personen durchaus solche Gespräche mit befreundeten und/oder bekannten Menschen geführt haben. Primär vielleicht Personen, die sich der Gaming-Szene zugehörig fühlen. Die Rollenspiele spielen, egal ob Pen & Paper oder LARP. Vielleicht sogar CoSIMs? Oder Menschen, die dystopische Zukunftsromane schreiben oder über Utopien und fantastische Erlebnisse in völlig unbekannten Welten.

Viele aber hätten diese Gespräche und die Menschen, die derlei Themen „offen“ äußerten, eher belächelt, vielleicht sogar als absurd oder spinnert abgetan. Und die Personen im schlimmsten Fall mit Spott überzogen, nach dem Motto, „Du nun wieder mit Deinen Fantasiegeschichten …!“

Fast forward ins Jahr 2022.

Jahre der Pandemie und ein stetig mutierender SARS-CoV-2 Virus haben weltweit bereits mehr als sechs Millionen Menschen das Leben gekostet. Verantwortliche in Regierung und Ämtern wirken häufiger hilflos als hilfreich und dieselben Menschen werden nun erneut belächelt. Weil sie sich auf (globale) Katastrophen vorbereitet hatten oder anderen von Aktionen wie „Zombies Gone Viral“ (How a Fictional Zombie Invasion Helped CDC Promote Emergency Preparedness) in den USA oder ähnlichen Kampagnen in UK berichtet haben.

Oder vielleicht auch, weil sie in Filmen wie „World War Z“ die „Tenth Man Strategy“ faszinierend fanden.

The Tenth Man strategy says that if nine people agree on a particular course of action, the tenth person must, in the context of the strategy, take a contrary approach so that all alternatives can be considered.

https://www.forbes.com/sites/ericbasu/2013/07/28/what-world-war-z-can-teach-you-about-critical-thinking

Weitere Links zum Thema:
Plan des Pentagon, die Zombie-Apocalypse zu stoppen (ENG)
How To Survive A Zombie Apocalypse (ENG)
Concept Of Operations (CONOP) 8888 des US Strategic Command (ENG)

Science Fiction in der Leistungsgesellschaft

Obwohl wir ja bereits im Jahr 2022 sind, schlage ich den Bogen nun gedanklich zurück. Menschen begegnen Gamer*innen, Rollenspieler*innen oder anderen Kreativen auch heute oft noch mit einer Indifferenz, die mich persönlich ärgert. Die auch genährt wird aus dem gesellschaftlichen Verständnis, „wie eine Person sich einzubringen hat, was sie zu leisten hat“.

Kurz gesagt: die Leistungsgesellschaft erkennt meiner Ansicht nach die enormen Potentiale von Fantasy und Science Fiction nicht oder kaum an.

Daher ein paar Gründe, warum Science Fiction gesellschaftlich relevant ist.

Eins vorweg: mir ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass niemand auf die Idee kommt, ich wollte auf dem Rücken leidtragender Menschen (m)eine Sache ausrollen und reines Agenda-Surfing betreiben. Dies ist nicht der Fall.

Vielmehr bin ich seit Jahrzehnten der Ansicht, insbesondere Science Fiction müsse ein viel höherer Stellenwert in unserer Gesellschaft zukommen als dies bislang der Fall ist.

Gesellschaftlicher Einfluss von Science Fiction

Jules Verne hatte im 19. Jahrhundert bereits das U-Boot „erfunden“. 90 Jahre, bevor es tatsächlich Realität wurde. Die Nautilus war in vielerlei Hinsicht ein Abbild selbst moderner U-Boote. Natürlich könnten wir ebenso annehmen, Leonardo da Vinci sei der Ur-Vater dieser Erfindung.

Gene Roddenberry hat mit Star Trek eine Utopie erschaffen, in der die Menschen größtenteils ihre Differenzen und die Balkanisierung ihrer Heimatwelt überwinden konnten. Nahezu alle kennen die Geschichten des „Raumschiff Enterprise“ und die vielen anderen Star Trek Franchises. Natürlich ist dies Science Fiction. Ebenso natürlich steckt aber überall auch ein Kern Wahrheit drin. Ein Stück Prophetie und die unterschwellige Hoffnung, eines Tages einige der erdachten und erträumten Technologien Wirklichkeit werden zu lassen. Siehe Star Trek Communicator und das Smartphone.

Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“ sowie „Star Trek“ in allen seinen Ausprägungen sind zwei Beispiele von hunderten, wenn es um den Einfluss von Science Fiction auf die menschliche Gesellschaft geht. Zwei Beispiele aus vielen, die ich immer wieder nutze, um Menschen vor Augen zu führen:

Ein offener Geist und die Auseinandersetzung mit Science Fiction im Kontext ganz realer Problemstellungen eröffnet Perspektiven, die uns neue Wege zeigen können.

Auf der Basis unter anderem dieser Gedanken haben wir die Ziele des ivfsf formuliert:

  • Wir möchten die öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung von Fantasy und Science Fiction in der Gesellschaft fördern.
  • Wir möchten uns einmischen.
  • Expert*innen für den Dialog vermitteln und
  • „Go-To“-Instanz im deutschsprachigen Raum für Fantasy und Science Fiction werden.

Dies geht nur durch eure Mithilfe. Um diese bitte ich euch, denn meiner Ansicht nach drängt die Zeit. Werdet Mitglied im ivfsf, bringt euch ein und unterstützt unsere Arbeit und unsere Ziele.

6 Kommentare

  1. Ich stimme deinem Artikel von ganzem Herzen zu. SF ist die Verbindung von Kunst und Wissenschaft. Damit ist es ein Genre, welches unsere Träume und Albträume erfühlbar macht. Es gilt hier vielleicht auch einen Zusammenhang zu der stärker werdenden Wissenschaftsfeindlichkeit zu untersuchen, aber das nur nebenbei bemerkt.
    SF ist eine Form von Narrativ, das Probleme, die in der Gegenwart noch nicht stark wirken, in die Zukunft verlängert und uns mit den Konsequenzen unserers (Nicht-)Handels konfrontiert. Jules Verne und Star Trek (jedenfalls bis JJ Abrams anfing Action-Filmchen daraus zu machen) sind besonders eindrucksvolle Beispiele, zumal Verne auch einige sehr düstere Vorhersagen gemacht hat. Und ehe die Sternflotte ins All aufbrach, nun ja, ich hoffe, dass wir keinen Dritten Weltkrieg erleben. Jedenfalls ist dein Text prägnant geschrieben, klare Thesen und ein Appell an Offenheit und Neugier!

    1. Vielen Dank, Frank! Für Deine Einschätzung, Dein Lob und den Kommentar. Bei allem, was ich schreibe, ist mir auch wichtig, dass es eine Momentaufnahme darstellt. Eine Betrachtung aus einem bestimmten Winkel. Der sich durch weitere Personen, die sich der Beobachtung anschließen, erweitern kann. Daher ist mir gerade die „Perspektive Zukunft“ so wichtig, da ich glaube, dass wir gemeinsam hier einen Impact haben können.

  2. Ich glaube, gäbe es Science-Fiction nicht, und mehr noch, SciFi Fans in den richtigen Positionen (Wissenschaft, Ingenieruswissenschaften, Forschung), gäbe es sicherlich einige Dinge heutzutage nicht.
    Es ist schade, dass diesen kreativen Köpfen nicht mehr „Raum“ zugestanden wird. Innovative Konzepte entstehen durch die Fantasie und die unkonventionellen Ideen…. leider ist das in der heutigen Zeit ein „Problem-Merkmal“. Ich stelle mir immer vor, wie viel wir erreichen könnten, wenn wirklich mal alle Menschen an einem Strang ziehen…..
    Gerade deshalb ist Science-Fiction auch heute noch relevant.
    In sehr vielen dieser Serien ist nämlich genau diese Prämisse Dreh- und Angelpunkt, nämlich dass die Menschheit GEMEINSAM Dinge erreicht. Ich denke da gerade an Serien wie Star Trek, oder in Teilen auch Doctor Who….
    Doch solange der „Fantasy“-Aspekt in den Köpfen der Menschen (und damit meine ich die Vorstellung, im Namen eines Gottes töten zu dürfen und andere Menschen als minderwertig zu betrachten, die an andere Dinge glauben) vorherrscht, wird es nie eine geeinte Menschheit geben…. und so bleibt nur die „Realitätsflucht“ in die teils utopischen Welten der Fantasy- und SciFi-Literatur, die ein Bild der Zukunft malt, das wir vermutlich nie mit eigenen Augen sehen werden….

    1. Hej Sascha, Danke für Deinen Kommentar und den IMHO absolut richtigen Aspekt der Gemeinschaftlichkeit. Einen ersten Schritt auf diesem Weg wollen wir mit dem ivfsf gehen, denn nur gemeinsam erreichen wir mehr Sichtbarkeit, mehr Wahrnehmung für die Themenkomplexe und damit auch mehr Einfluss dieser auf die Ausgestaltung unserer eigenen Lebenswirklichkeit.

      Muss nicht gleich Star Trek sein, aber hin zu einer besseren Welt für alle, mit mehr Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung und Zugang zu allen lebensnotwendigen Grundbedürfnissen, das wäre schon was!

  3. Stimme dir voll und ganz zu. Vor allem denke ich, dass in der Auseinandersetzung mit Sci-Fi eine Möglichkeit liegt, zivilgesellschaftlich an gewissen Entwicklungen und Diskussionen teilzunehmen. Die Think Tanks und Expert:innengremien diskutieren ja durchaus solche Zukunftssenarien, aber die müssen halt in der breiten Bevölkerung ebenfalls besprochen werden.

    Eben gerade in der Auseinandersetzung mit diesen – jetzt nicht mehr für alle unwahrscheinlichen – Szenarien wie nukleare Kriege, Klimakatastrophen, tödliche Viren usw. sind Medien wie Filme, Serien, Rollenspiele auch ne relevante Informationsquelle für NICHT-wissenschaftlich ausgebildete Leute. Ich denke da (bei nuklearen Kriegen) an Ulrich Becks „Risikogesellschaft“, das quasi unbeabsichtigt passend mit Tschernobyl damals veröffentlicht wurde und den wissenschaftlichen Diskurs zu solchen Dingen für alle plötzlich greifbar gemacht hat. Und ich mich die 35 Jahre später und bei den Reaktionen jetzt aktuell echt frage, warum man das nicht nachhaltig aufgegriffen hat. Dann würden wir so viele sinnlose Diskussionen gar nicht mehr führen.

    Es wäre halt spannend, wenn man solchen gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen wie in The Expanse oder auch in den üblichen Blockbustern, wo es um Besiedelung oder Kontakt zu Extraterrestischen geht, ernsthaft diskutieren könnte.

    Und wie du auch schon meinst, es kommt halt in der einschlägigen Nerdkultur durchaus zu klugen Gedanken und Gesprächen, die völlig zu Unrecht von Außen ein bisschen belächelt werden.

    1. Leider ist es oft so, dass die in den Think Tanks diskutierten Ideen (oftmals sehr wirklichkeitsfremd und daher doppelt spannend zu eruieren) gar nicht bis zu den verantwortlichen Personen in Amt und Würden vordringen, weil diese sie nicht verstehen würden oder wahrhaben wollen. Erderwärmung und Klimawandel sind so Themen. Seit Jahrzehnten im Gespräch, immer abgetan.

      Einer ernsthaften Diskussion über Inhalte aus „The Expanse“ oder anderen Filmen („Der Tag, an dem die Erde stillstand“, „Day after Tomorrow“, „District 9“ oder auch „The Arrival“) würde ich mich nicht verschließen. Im Gegenteil, ich würde sie nach Kräften fördern und mich beteiligen. Genau das ist so ein Herzensthema, welches ich persönlich vorantreiben möchte.

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