Die Schattenseite von KI-Bildern im Pen & Paper

KI-generierte Bilder haben Tischrollenspiele wie D&D im Sturm erobert. Sie sind einfach zu erstellen, kosten kaum Geld und sind weithin verfügbar. Warum nutze ich sie trotzdem nicht?

Die gute Seite

Als Spielleitung bin ich immer auf der Suche nach neuen Bildern, um meinen Spielenden eine visuell stimulierende Erfahrung zu bieten. Meine Spielenden möchten Bilder für ihre Charaktere, ich selbst kann damit schnell NPCs, Städte, Landschaften und Artefakte generieren. Die passenden Bilder für die eigene Fantasie zu finden, kann dabei ein zeitaufwendiger Akt sein. Entweder ich suche im Internet nach den passenden Bildern, oder ich beauftrage Kunstschaffende, diese zu malen. Hier eine KI zu verwenden, kann Zeit sparen, selbst nischige Konzepte schnell umzusetzen.

Artikelbild 01 (mit KI generiert) für Artikel von Aaron Botter
Artikelbild 01 (mit KI generiert) für Artikel von Aaron Botter

Ein guter Freund ist neulich zu spät zu seiner ersten Session gekommen. Er hat mithilfe einer KI in etwa einer halben Minute ein Bild für seinen Charakter generieren können. Es handelte sich um einen athletischen Alchimisten mit einem Baby-Krokodil. In dieser Geschwindigkeit wäre das Konzept wahrscheinlich nicht anderweitig umsetzbar gewesen, zumindest nicht in dieser Präzision.

Er hätte im Nachgang wohl das Geld, auch einen Künstler zu bezahlen, aber möchte er das schon tun? Er kann noch gar nicht einschätzen, wie lange dieser Charakter ihn begleiten wird. Und er ist zufrieden mit dem Bild, er muss niemanden beeindrucken. Vielleicht wird dieses Bild auch sein endgültiges Charakterbild bleiben. In Deutschland ist es nach wie vor eher ungewöhnlich, Künstler für Charakterbilder zu beauftragen. Ich habe aber gerade mit internationalen Spielenden häufig erlebt, dass einige Spielende ihre KI-generierten Charakterbilder nach einer Weile durch Auftragsarbeiten ersetzen – sobald klar ist, dass die Kampagne auch langfristig und mit dem eigenen Charakter stattfindet.

Ein anderer Freund von mir nutzt KI-generierte Bilder gleichwertig neben menschlicher Kunst. Für ihn ist der Unterschied zwischen menschengemachten Bildern und KI nicht maßgeblich. Dass die KI-Version seltsame, fast traumartige Qualitäten hat, ist für das Tischrollenspiel kaum ein Nachteil. Der fehlende Kontext des KI-Bildes wird durch die Handlungen und Sprache am Tisch gefüllt, und das Bild ist verschwunden, bevor man näher darüber nachdenken konnte.

Artikelbild 02 (mit KI generiert) für Artikel von Aaron Botter
Artikelbild 02 (mit KI generiert) für Artikel von Aaron Botter

Wie viele KI-generierte Bilder, fällt auch dieses von einem NPC aus seiner Kampagne bei näherer Betrachtung natürlich auseinander. Allerdings haben wir diesen NPC nur einmal getroffen und mussten das Bild nur einmal sehen. Der Kontext des Rollenspiels hat den Charakter dann zum Leben erweckt, und die kurze Halbwertszeit des Bildes ist so nicht nachteilig geworden. Das KI-Bild ist in diesem Kontext die moderne Version der Schmierereien der Spielleitung auf dem Whiteboard oder wild verteilten Karteikarten. Nicht schön, nicht für die Ewigkeit, aber funktional.

Die Schattenseite

Immer mehr Publisher beginnen, Produkte mit KI-generierten Bildern auf den Markt zu bringen. Im Grunde genommen setzen die Publisher dabei auf dieselben Vorteile wie meine Freunde am Spieltisch – Geschwindigkeit, günstige Kosten und einfache Bedienbarkeit. Die zahllosen ethischen Bedenken bzgl. des kommerziellen Einsatzes von KI lasse ich für heute einmal bei Seite, da dies wohl den Rahmen sprengen würde. 

Im Gegensatz zum Spieltisch gibt es nämlich Nachteile, über die man nicht einfach hinwegsehen kann. Was am Spieltisch ein Bild ist, was einem die Spielleitung einmal kurz zeigt, wird in einem Buch wieder und wieder betrachtet. Es muss nicht nur dem ersten Blick, sondern auch dem zweiten, dritten und hundertsten Blick standhalten. Ich habe insgesamt vermutlich mehrere Stunden meines Lebens verbracht, all die Details im Cover von Xanathar’s Guide to Everything von Jason Rainville zu erfassen und über sie nachzudenken.

Cover von Xanathar's Guide to Everything von Jason Rainville
Cover von Xanathar’s Guide to Everything von Jason Rainville

Wenn ein Bild in einem veröffentlichten Produkt allerdings KI-generiert ist, wird es bei jeder Betrachtung seltsamer und fehlplatzierter. Dieseldrachen ist ein (ansonsten sehr schönes) deutsches Tischrollenspiel, das in seinen Produkten vermehrt auf solche Bilder setzt. Auf der Nordcon in Hamburg konnte ich dazu mit Marc, dem Autoren des Spiels, ein kurzes Gespräch führen (damals hatte ich diesen Artikel noch gar nicht im Kopf, war aber an dem Einsatz von KI interessiert). Marc argumentierte, dass ihm der Einsatz von KI ermöglicht, bei vergleichbar niedrigem Budget jede Seite mit Bildern füllen. Doch das hat einen Preis.

Artikelbild 04 (mit KI generiert) für Artikel von Aaron Botter
Artikelbild 04 (mit KI generiert) für Artikel von Aaron Botter

Was auf den ersten Blick noch wie ein Bild von einem Goblin im Steampunk-Outfit wirkt, wird mit jedem weiteren Blick seltsamer und seltsamer. Die zusammengewachsenen Zähne, der Lederriemen, der in Richtung Ohr davonfliegt, undefinierbare Buchstaben und Wörter, die Beule in der linken Hand… Das Bild wird schwächer, je länger es betrachtet wird. Dieses Bild von einem Charakterbogen von Dieseldrachen ist beispielhaft für ein Qualitätsproblem, dass viele Publisher plagt, die auf KI-generierte Bilder setzen. Ob sich dieses Problem in der Zukunft durch bessere Technologie löst, bleibt abzuwarten.

Nun ist ein häufiges Argument der Kostenpunkt. Indie-Publisher wie Dragon Pulp Games (Dieseldrachen) können nicht mit den Budgets von Giganten wie Wizards of the Coast (Dungeons & Dragons) mithalten. Der Indie-Publisher kann sich nunmal keinen Jason Rainville leisten, vor allem nicht für jede Seite. Die Frage ist nun aber, ob es tatsächlich notwendig ist, eine große Masse an vollfarbigen Artworks zu präsentieren.

Oft wird als Argument hier das Marketing angebracht. Ein Spiel müsse visuell beeindrucken, um sich zu verkaufen. Aber auch das ist aus meiner Brille nur halb richtig. Shadowdark, das mehrfach ausgezeichnete Indie-Rollenspiel von Kelsey Dionne, hat in zwei Kickstartern über 3 Millionen Dollar eingespielt, ohne mit einem großen Budget zu starten. Wer das Regelwerk sieht, wird stattdessen weniger, strategisch platzierte Artworks in einem mehrheitlich simplen schwarz-weiß Stil finden. Diese Bilder sind deutlich günstiger in der Produktion und schwarz-weiß Bilder können auch unterschiedliche Artstyles zusammenhängend wirken lassen. Ein klug gedachtes Layout und artistische Entscheidungen bei limitiertem Budget führen zu einem Buch mit einer eigenen Identität.

Auch die Macht von Stockart darf hier nicht unterschätzt werden. Künstler wie Dean Spencer bieten eine beeindruckende Galerie an günstig erwerbbaren Kunstwerken mit kommerzieller Lizenz an, die perfekt zu einem großen Teil der Indie-Rollenspiele passen. Das unten anliegende Bild kostet mit Lizenz beispielsweise 9€.

Art by Dean Spencer, used with permission (Licensee Aaron Botter)
Art by Dean Spencer, used with permission (Licensee Aaron Botter)

Fazit

Am eigenen Spieltisch können KI-generierte Bilder den Platz von Pinterest-Boards und Google-Bilder Sucheergebnissen durchaus ersetzen. Als temporäre Werke, denen am Spieltisch der nötige Kontext gegeben wird, erfüllen sie ihren Zweck. Längerfristig wichtige Bilder, wie Weltkarten oder Charakterbilder, können dann über den Verlauf der Kampagne Stück für Stück durch menschengemachte Kunst ersetzt werden.

Das zentrale Problem von KI-generierten Bildern in Tischrollenspielen besteht also nicht am Spieltisch, sondern in den beiliegenden Regelwerken und Abenteuerbüchern. Was auf den ersten Blick noch wie das Coverart eines AAA-Videospiels wirkt, stellt sich auf den zweiten Blick als Amateurprodukt heraus. Im Prinzip markieren sie ein Produkt, das fundamental mehr sein möchte, als es ist. 

Ein von Indie-Publishern produziertes Produkt muss nicht den auf Hochglanz polierten, vollfarbigen Artworks der großen Herstellern folgen. Die Entscheidung nach der eigenen visuellen Identität sollte zum eigenen Budget passen. Indie-Hersteller müssen den Mut haben, stolz jene kruden, menschengemachten Artworks zu präsentieren, die mit niedrigem Budget zusammenkommen. Das Resultat sind ehrliche Produkte mit Herz, denen man ihren Ursprung ansieht – und das führt zu einer Identität, die man nur lieben kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert