Kunst und Kreativität für den Wandel (4/5)

Wenn die Welt ins Wanken gerät, brauchen wir mehr als Fakten

Klimakrise, Ungleichheit, Demokratiedefizite, digitale Überforderung – die Herausforderungen unserer Zeit sind real, drängend und komplex. Doch mit rationalen Argumenten allein kommen wir nicht weiter. Es braucht auch Räume für Emotion, Imagination und Ermächtigung. Kunst, Spiel und Phantasie sprechen unseren inneren Kompass, Herz und Verstand an und eröffnen alternative Wege des Verstehens und Handelns.Kunst und Kreativität können Motoren für den Wandel sein.

Dies ist der vierte Artikel einer Serie.
Den ersten Artikel findest Du hier: 
Krisen unserer Zeit – Kunst, Spiel und Fantastik als Katalysatoren des kreativen Wandels (1/5)
Auch weitere Artikel und Themen-Talks von und mit Sascha Pogacar handeln von ähnlichen Themen, wie z.B. Kim Stanley Robinsons Klima-Zukünfte – ClimateFiction und Klimakrise, Zukünfte 2023 – Ein Versuch über Eskapismus, Klimazukünfte 2050, KI-Generatoren und den Blick zurück aus der Zukunft. oder Zukunft ohne Angst: Warum wir jetzt antidystopisch denken müssen. Weitere Inhalte von Sascha Pogacar finden sich auch unter https://www.narramur.de oder https://www.saschapogacar.de.

Kunst als Spiegel, Trost und Aufbruch

Kunst hat die einzigartige Fähigkeit, gesellschaftliche Missstände sichtbar zu machen – und dabei nicht zu lähmen, sondern zu mobilisieren. Ob ein berührendes Theaterstück über soziale Ungerechtigkeit, eine Protest-Installation gegen Klimazerstörung oder ein Musikvideo, das queere Identität feiert: Kunst übersetzt politische Realitäten in sinnliche Erlebnisse. Sie fordert heraus – und verbindet zugleich.

Zugleich wirkt Kunst heilend: In Krisenzeiten ist sie wie eine zweite Rettungslinie. Sie gibt Raum für Trauer, Verarbeitung und kollektive Resilienz. Projekte wie Wandmalaktionen nach Erdbeben, gemeinsames Singen in Kriegsgebieten oder partizipative Kunst in Flüchtlingslagern zeigen, wie kreative Praxis zur psychischen Stärkung beiträgt.

Fantastik: Möglichkeitsräume jenseits des Status quo

Fantastische Literatur und Medien – von Science-Fiction bis Märchen – schaffen Welten, die anders sind. Sie erlauben uns, Gesellschaft neu zu denken: Was wäre, wenn Ressourcen gerecht verteilt wären? Wenn Technologie für das Gemeinwohl da wäre? Wenn nicht Profit, sondern Fürsorge die Grundlage unseres Wirtschaftens bildete?

Autor*innen wie Ursula K. Le Guin, Octavia E. Butler oder Kim Stanley Robinson zeigen: Fantastik ist keine Flucht, sondern ein Labor für Zukunft. In ihren Geschichten stecken radikale Perspektivwechsel, Visionen von Utopie oder warnende Dystopien – immer verbunden mit der Frage: Wie könnte es auch anders sein?

Auch Bewegungen wie Solarpunk, Afrofuturismus oder Indigenous Futurisms zeigen, wie marginalisierte Stimmen ihre Zukunft selbst erzählen – jenseits von Kolonialismus, Kapitalismus oder Klimakatastrophe. Kunst und Kreativität können Motor für den Wandel sein.

Spiel: Wandel durch Teilhabe und Verkörperung

Im Spiel erleben wir, was sonst Theorie bleibt. Ob Pen&Paper-Rollenspiel, Live-Rollenspiel, digitale RPGs oder Planspiele – sie laden ein, in andere Rollen zu schlüpfen, moralische Dilemmata zu erproben, gemeinsam Welten zu gestalten.

Rollenspiele machen komplexe Zusammenhänge erfahrbar. In einem LARP über Klimapolitik verhandeln Schüler*innen reale Interessen. In einem Fantasy-Szenario erleben Gruppen, wie Kooperation entsteht oder scheitert. Und in narrativen Spielen erkunden wir, was Gerechtigkeit bedeuten kann – jenseits von Schlagzeilen.

Das Besondere am Spiel: Es schafft Sicherheit im Experiment. Wir dürfen scheitern, neu anfangen, gemeinsam wachsen. Das fördert nicht nur Lernprozesse, sondern auch Hoffnung und Handlungsmut.

Transdisziplinär denken: Wenn Kunst, Spiel und Wissenschaft sich begegnen

Wissenschaft zeigt, was ist. Kunst und Spiel zeigen, was sein könnte. Wenn diese Bereiche zusammenkommen, entsteht etwas Neues: transformative Bildung. Projekte wie „Science & Fiction“, das „Anthropocene Curriculum“ oder Climate-Rollenspiele wie „Keep Cool“ verbinden Daten mit Geschichten, Forschung mit Erfahrung, Szenarien mit Imagination.

Das stärkt nicht nur Systemverständnis, sondern auch Empathie, Zukunftskompetenz und Gemeinschaftssinn – Schlüsselkompetenzen für eine resiliente Gesellschaft.

Empowerment durch kreatives Gestalten

Kunst, Spiel und Fantastik machen uns nicht nur zu Zuschauenden, sondern zu Mitgestaltenden. Wer gemeinsam eine Welt entwirft, sei es auf der Bühne, im Spiel oder im Roman, erfährt Selbstwirksamkeit. Und genau die brauchen wir, um in einer Welt im Umbruch nicht zu resignieren, sondern zu handeln.

Ob Kinder ein Zukunftsmuseum bauen, Aktivist*innen eine Performance gegen Ausgrenzung inszenieren oder Nachbarschaften Stadtvisionen entwickeln – kreative Prozesse eröffnen kollektive Handlungsräume. Und aus Visionen werden oft Realitäten.

Fazit: Kreativität als Schlüssel zur Transformation

Die Krisen unserer Zeit sind vielschichtig – unsere Antworten müssen es auch sein. Neben Politik und Technik braucht es emotionale Intelligenz, Fantasie und kulturelle Anker. Kunst, Spiel und Fantastik liefern genau das: Sie verbinden Wissen mit Gefühl, Gegenwart mit Zukunft, Individuum mit Gesellschaft.


Ausblick: Im letzten Teil der Blogreihe schauen wir, wie spekulative Zukunftsentwürfe zu konkreten Bildungsimpulsen und sozialen Innovationen führen können – und wie wir gemeinsam eine neue Vorstellung von Zukunft entwickeln.

Diese Artikelreihe soll Anstoß zur Diskussion und Anlass für Gespräche sein. Bei Fragen, Ideen, Gedanken, Kritik und Gesprächsbedarf stehe ich gerne unter der E-Mail sascha.pogacar@ivfsf.de, hier in den Kommentaren oder bei einem Offenen-Verbands-Talk, an jedem dritten Montag eines Monats ab 20:00 unter https://www.whereby.com/ivfsf, zur Verfügung.

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